von Adalbert Pongratz
(Auszug aus der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Zwieseler Fink 1939 - 1989)
Die Stadt Zwiesel unter ihrem Bürgermeister Alfons-Maria Daiminger, ist auf die Finken-Idee des Friedl-Paul bereitwillig eingesprungen, hat hinter der Sache eine Attraktion für die kleine Stadt im Wald vermutet und dann, das wissen wir heute, über alle Zeitläufe und Bürgermeister hinweg, dem Finken die Stange gehalten und damit der Volksmusik und dem Volksgesang, wie er im Lande nun einmal gute Tradition hat.
Bei dem renomierten Münchner Goldschmied Carl Weißhaupt hat die Stadt im Jahr 1939 nach einem Entwurf des Fachlehrers Fronholzer die wahrlich zeitlos wirkende Finkentrophäe – den kecken Waldvogel auf der Glaskugel – für gutes Geld bestellt und war dann auch mit der Ausführung rundum zufrieden.
Seither hat diese begehrte Auszeichnung als Preis für jeweils ein Jahr jungen und alten Volksmusikanten und Volkssängern, aber auch den jeweiligen Heimatgemeinden Freude gebracht und bei ihnen allen wohl auch das Renomee gestärkt, ganz sicher aber, das hat man in der wahrlich bewegten Finken-Geschichte vielfach erfahren, dort Volksmusik und Volksgesang zu blühendem Leben aufgeweckt, wo sich der Waldvogel aus Zwiesel sein Nest baute. „Zwieseler-Fink-Gewinner“ zu sein, das ist ein Ehrentitel auch nach 50 Jahren noch.
Daß das erste Finkenfest in der Stadt am Zusammenfluß der beiden Regenflüsse in den unheilschwangeren Tagen zur Augustmitte (12. bis 14. August) des Jahres 1939, als „Volkstumstag in Zwiesel“ mit dem damals üblichen Brimborium gefeiert wurde, das lag am Stil dieser Zeit. Die Teilnehmer freilich ließen sich davon nicht anstecken. Es wurde ein gemütliches waldlerisches Fest, das in seinem guten Grundgehalt auch die bittere Kriegszeit ohne Schaden überstanden hat.
Frauenauer waren die ersten Finkengewinner. Das kam nicht von ungefähr, denn dort, bei den Glasmachern unterm Rachelberg, war das urwüchsige Singen und Spielen daheim, schon damals, genau wie heute. Und dieser Finkengewinn der Auerer führt konsequent auch zur ersten Finken-Geschichte.
Wie das im Finkenstatut festgeschrieben ist, bekam 1939 die Trophäe ihren Platz in einem Büroräum der Frauenauer Gemeindekanzlei. Dort stand der Fink, immer gut im Blick der Besucher, bis in das Jahr 1945, unberührt und unbeschadet. Als dann auch im Waldland das „Tausendjährige Reich“ nach zwölf Jahren endgültig zu Ende ging, die Amerikaner als Besatzer sich Richtung Frauenau bewegten und die Auerer Gemeindekanzlei, wie derartige Einrichtungen überall im Lande, geräumt wurde, da erinnerte sich die Chefsekretärin im Amt, Trudl Neuburger, geb. Frank, der attraktiven und ihrem Gefühl nach wertvollen Finkentrophäe und meinte, ganz für sich, sie sollte eigentlich nicht unbedingt ein Beutestück der Besatzer werden, wenn sie schon den Volksmusikanten zugedacht ist. Ohne dienstlichen Auftrag, aber mit sicherem Hausverstand hat Trudl Neuburger die Finkentrophäe wohlverpackt einfach mit nach Hause genommen und sie so versteckt, dass sie auch bei damals doch immer wieder einmal vorkommenden Haussuchungen nicht gefunden wurde. Der „Fink“ hat auf diese Weise das Kriegsende und die wirren Zeiten danach glänzend überstanden.
Als man in Zwiesel im Jahr 1949 für eine Neuauflage des Zwieseler Finken rüstete, da war zuerst einmal guter Rat teuer, denn der „Fink“ war, so meinte man, aus der Frauenauer Gemeindekanzlei ausgeflogen, wahrscheinlich nach Übersee, wie der Finkenvater Paul Friedl vermutete. Doch da rückte, nicht ohne Stolz auf ihre Cleverness, Trudl Neuburger mit dem Wanderpreis heraus und wurde später dann bei einem ersten Finkenjubiläum droben im Jankasaal für ihre Rettungstat von der Finkengemeinde groß gefeiert und auch ausgezeichnet. Der Fink hatte, dank einer umsichtigen Frau, ganz einfach Glück gehabt.
Ein Tag voller Musik war die zweite Finkenpreisveranstaltung im Jahr 1949, mit der man einen hoffnungsvollen Neubeginn setzen konnte. Die ländlichen Blasmusiken waren eingeladen. Sie kamen in großer Zahl und es ging wahrlich hoch und laut her im voll besetzten Jankasaal, der angestammten Finkenbühne über viele Jahre hinweg. Die Blaskapelle aus Ruhmannsfelden schaffte damals die höchste Punktzahl, vergeben von kundigen Preisrichtern. Aber weil die Ruhmannsfeldener mit Aushilfen spielten, überließen sie großzügig und kameradschaftlich den Wanderpreis der Frauenauer Blaskapelle. Der Fink kehrte also zum zweiten Male in das Dorf unterm Rachel zurück.
Ähnliches hatte es dann zehn Jahre später 1959 noch einmal gegeben. Damals gewannen die „ Lamer Buam“ den Preis, waren schon das Jahr zuvor auf dem Finken - Treppchen gestanden und überließen nun die Trophäe ihren zweit plazierten Freunden, den "Riedelstoanan“ aus Arrach. So etwas hat das stets fachkundige Publikum immer begeistert, und gerade solche Austragungen des Wanderpreises sind in ganz besonders guter Erinnerung geblieben.
Und dann kam in den sechziger Jahren die Finken-Ära der unvergessenen Maria Sternecker, die mit ihrer Harfe auf der Finkenbühne wahrlich Geschichten zu erzählen wußte, die fesch und resch über Jahre hinweg das Finken-Geschehen bestimmt hat und zu den besonders markanten Preisträgern gezählt werden muß.
Einmal aber haben nicht die Herren Preisrichter, sondern das Publikum den Finkengewinner auf den Schild gehoben. Das war eine denkwürdige Stunde und ein Finkenfest von einer Intensität, die sich kaum mehr wiederholt hat. Wieder ein voller Jankasaal, besetzt bis auf den letzten Platz. Droben auf der Bühne der Rudi Kaml vom Reifhof bei Lohberg mit seine Zither. Er spielte, wie man es noch selten einmal in dieser illustren Runde gehört hatte. Woidstückl, die ihm aus dem Herzen kamen. Mucksmäuschenstill war es plötzlich im Saal, kein Federl rührte sich mehr. Der Mann aus dem Osserwinkel, ein schneidiger Bursch, bis in die letzte Faser seines Herzens von Musik erfüllt, schlug sie alle in ihren Bann. Der Beifall für ihn war so groß und so anhaltend, dass man gar nicht mehr anders konnte, als ihm den „Finken“ des Jahres 1956 zuzuerkennen. Und das hat dann einen zweiten, seither wohl nicht mehr erreichten Beifallssturm ausgelöst. Ganz blaß war er, der Rudi Kaml vom Reifhof, als er die Trophäe in Empfang nahm.
Unvergessen auch die Pfefferbuam aus Kirchberg, zwei richtige „Knischpen“, gewitzt und couragiert, die sich 1950 den Wanderpreis ersungen haben, mit zwei Liedern, die man später immer wieder einmal, aber nie mehr so gut, beim Zwieseler Fink gehört hat. 1950 war auch das Jahr, da dem Finkenvater Paul Friedl für sein Fest im Woid der Kiem Pauli und die Anette Thoma die Ehre gaben. Mit dem Kiem Pauli, als der „ersten Instanz“ in der bayerischen Volksmusik, hat den Baumsteftenlenz eine frühe, gute Freundschaft verbunden. Anette Thoma, die Schöpferin der großartigen „Bauernmesse“, und der Kiem Pauli waren, wie es Zeitungsberichte aus diesen Tagen ausweisen, begeistert von dem, was sie im Wald zu hören bekamen.
Und da waren die Further mit ihren hochmusikalischen und hochmotivierten Familie Wutz, die immer wieder einmal in wechselnden Zusammensetzungen Finkenpreisgewinner stellte und mit ihrer Musik einen regelrechten „Aufbruch“ auch in der Oberpfalz bewirkt hat. Dazu die Gruppen aus Lindberg um Sepp Hackl und Anna Straub, die Spiegelauer Woidvögerl, die Frauenauer mit dem Oppitz Sepp an der Zither, als Zwieseler Eigengewächse die „Zwieseler Heimatsänger“ und die „Zwieseler Tanzlmusi“, der Robert Link aus Grafenau und der Ferdinand Neumeier. Alle zusammen ein Stück Finkengeschichte, so wie der Bischofshofener Arzt Dr. Cassio Castelpietra, der im österreichischen Pongau die „Bischofshofener Amsel“ ins Leben rief und bald schon enge und gute Verbindung zur Zwieseler Finkenfamilie suchte und sie auch gefunden hat, weil sich der Friedl-Paul und der Pongauer Doktor vom Fleck weg gut verstanden haben. Amsel und Fink feierten 1963 Verbrüderung. Der Dr. Cassio Castelpietra war ein Gemütsmensch von Rang, ein vortrefflicher Unterhalter, ein witziger Festredner, ein Mannsbild wie aus einem Guß. Im „Woid“ hat er sich gefühlt wie daheim und die Zwieseler haben ihm auch alle Ehre angetan.
Zwei gibt es, die haben zu ihren Amts- und Lebzeiten kein einziges Finkenfest versäumt. Der eine war der Regierungspräsident Dr. Georg Hopfner. Er fehlte während seiner langen Amtszeit in Landshut bei keinem Finkenfest, hat sich allemal königlich über die Sänger und Musikanten freuen können und je jünger sie waren, umsomehr hat er sie geschätzt. Dem Georg Hopfner, der viel zu früh gestorben ist, war die Finkengemeinde wahrlich ans Herz gewachsen. Der zweite Paladin ist Alt-Landrat Max Binder. Als er in ein Politisches Amt geholt wurde und das war gleich nach Kriegsende, wurde er auch bereits fester Ehrengast beim Finkenfest in Zwiesel und ist dies bis zum heutigen Tag auch geblieben. Er ist einer, der gern mitwertet am Ehrentisch, wenns am Sonntagnachmittag ums Ganze geht. Er fiebert mit seinen Favoriten der Preisrichterentscheidung entgegen und kann sich so von Herzen freuen, wenn er mit seinem Finken-Tip des Tages richtig liegt und das war bisher sehr oft schon der Fall. „Aufn Zwiesla Fink gfreu i mi jeds Johr“, sagt Max Binder, der den Zwieseler auch über seine Amtszeit hinaus die Treue und das gute Verständnis für die Arbeit der Finkengemeinde erhalten hat.
Und da gibt es auch noch den Michael Steubl, der über Jahrzehnte hinweg nicht nur der Vorsitzende des „Arbeitskreises Zwieseler Fink“ gewesen ist, sondern als einer aus dem Rathaus vom finkenbegeisterten Bürgermeister Joseph Dötsch – mein Gott, wie konnte dieser Mann noch feiern und fröhlich sein – den sozusagen „dienstlichen Auftrag“ erhielt, sich um die Finkenveranstaltung zu kümmern. Das hat denn Michael Steubl zu seiner ureigenen Sache gemacht, das Finkenfest gepflegt und gehegt, als wäre es der eigene Hausgarten. Doch es blieb bei Michael Steubl nie nur bei der mustergültigen Organisation, er hat sich um die Finkenidee und ihre Wirkung draußen im Lande ebenso gekümmert, wie er enttäuschte Gruppen zu trösten verstand. Preisrichter wieder ins Lot brachte oder Verhandlungen mit dem Bayerischen Rundfunk führte, der den Zwieseler Fink übrigens von der ersten Stunde an stets fürsorglich begleitet hat und dafür sorgte, dass dieser Waldvogel, so klein er auch von Gestalt nun einmal ist, Gewicht und Ansehen bekommen hat, weit über die Grenzen Altbaierns hinaus.
Einer aber darf nicht unerwähnt bleiben in diesen Streiflichtern rund um den Zwieseler Fink. Es ist dies der Heinz Waltjen, der aus dem hohen Norden ins Waldgebirge kam, hier als Bauer seßhaft wurde und der sich großartig in Land und Leute einzuleben verstand, freundschaftlich eng verbunden war mit dem Baumsteftenlenz, weil die zwei, der Heinz von der Waterkant und der Paul aus dem Woid, verwandte Seelen waren.
Die Finkengemeinde sieht den hochbetagt gestorbenen Heinz Waltjen immer noch als den Finken-Zeichner. Da saß er dann irgendwo im Publikum mit Blatt und Stift und konterfeite die Sänger und Musikanten auf der Bühne mit trefflichem Strich. Ein paar dieser herrlichen Zeichnungen sind erhalten geblieben als Denkmal für den begnadeten Grafiker, aber auch als gute Erinnerung an manch gelungenes Finkenfest, von denen man in dieser Stunde nur wünschen kann, dass es noch viele geben wird.